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Kongress für Tanzmedizin in Berlin (1;
Kurzgeschichte der Faszienarbeit)
"Faszi/e/nation Tanz - bewegte Vernetzung",
so das wunderbare Motto des tamed-Kongresses vom 1. bis 3. Juni
im Hochschulübergreifenden Zentrum Tanz (HZT) in Berlin.
Die Faszination für die Faszien, dem aus seinem
Dornröschenschlaf erwachtem Bindegewebe, trifft die Begeisterung für
den Tanz, der Freude an der Bewegung. Verschiedene Ansätze, aus der
Hochschulmedizin, den Erfahrungen der somatischen Körpertherapeuten
und den Bewegung- und Wahrnehmungstrainern vernetzen sich zu einem
neuen Bild.
Aber der Reihe nach.
In den Sechziger
Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelte Ida Rolf ihre Methode der
Strukturellen Integration. Anknüpfend an James Taylor Still, den
Begründer der Osteopathie, stellte sie das Bindegewebe, speziell das
Fasziensystem, in den Mittelpunkt ihrer Körperarbeit; unter
Berücksichtigung der besonderen Wirkung der Schwerkraft, die uns
nicht nur zu Boden zieht, sondern in einem gut organisiertem Körper
mit "richtiger" Vorspannung in den Faszien, auch
aufrichtend wirkt.
Aus der Osteopathie, wie der Name schon
nahe legt, waren die Faszien wieder weitgehend verschwunden. Und in
der Hochschulmedizin spielten sie keine Rolle. Wer mal in einen
der üblichen Atlanten schaute, sah wunderschön freigelegte Muskeln,
Ursprung und Ansatz am Knochen. Faszien durften nur an den seltensten
Stellen im Bild bleiben: wenn man sie direkt als Muskelansatzstelle
ansehen -musste-, oder wenn sie so groß waren, dass sie sich nicht
mehr verschweigen ließen. ;-)
Ida Rolf erkannte die
Veränderbarkeit der Faszien; durch intensive Berührung lösen sich
Verkürzungen, Verhärtungen, Verklebungen, es entstehen eine neue
Körperstruktur und die Möglichkeit für freiere Bewegungsmuster.
"Rolfing" wurde zum Markennamen für zahlreiche, von Ida
Rolf und ihren Nachfolgern am Rolf Institute in Boulder (später auch
in München und Brasilien) ausgebildete "Rolfer". So sehr
es auf das persönliche Talent des einzelnen Therapeuten ankommt, das
sich ergänzende und weiterentwickelnde Wissen mehrerer Generationen
ergeben einen wahren Schatz zur Entwicklung des "Rolfing Touch",
der typischen intensiven und doch sehr aufmerksamen Berührung, die
Faszien zum -schmelzen- bringt.
Das interessierte auch die
Hochschulmedizin; so wurden Faszien (tote) auf ihre plastische
Verformbarkeit untersucht, mit dem Ergebnis, dass es einen Druck von
einer Tonne pro cm^2 braucht, über einen längeren Zeitraum, um eine
dauerhafte Veränderung zu erreichen. So kann man nicht an Menschen
arbeiten, also war das Thema gegessen. Es gab zwar Studien, die in
vorher/nachher-Vergleichen die Veränderungen dokumentierten; die
ließen sich aber wegen geringer Fallzahlen und "erwiesener"
Unwirksamkeit der Methode einfach negieren.
Dabei war nur der
Untersuchungsansatz falsch. Der Druck ist nur -ein- Faktor bei der
dauerhaften Veränderung einer Faszie; oft wahrscheinlich nicht mal
der wichtigste.
Seit einigen Jahren rücken die Faszien aus dem
Abseits ins Zentrum der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit. Neuere
wissenschaftliche Untersuchungen, meist von neurophysiologischer
Seite, zeigen die Veränderbarkeit von Faszien. (in D vor allem die
Fascia Research Group, Uni Ulm, unter Leitung von Robert
Schleipp)
Dabei spielen Rezeptoren und andere Teile des
Nervensystems eine entscheidende Rolle. Der Druck wäre dann vor
allem ein Weg der Vermittlung der Veränderung, ein Zugang zu unseren
tief im Kleinhirn abgespeicherten Mustern von "normaler"
Haltung und "normaler" Bewegung.
Ida Rolf hatte
schon relativ früh erkannt, dass die Lösung körperlicher
Strukturen alleine noch nicht unbedingt wirklich freie
Bewegungsmuster bewirkt. Sie holte Judith Ashton ans Rolf
Institut, die mit Gael Ohlgren die Rolfing-Vision von Bewegungsarbeit
entwickelte. Später wurde die Arbeit von Hubert Godard zu
tonic function, der tonischen Muskulatur, die uns aufrichtet und mit
der wir "normale", harmonische Bewegungen ausführen, und
zur Körper- und Raumwahrnehmung ein entscheidender Baustein.
Im
Jahre 2003 begannen wir, begeistert durch eigene Erfahrungen in
Rolfingsitzungen, unsere Ausbildung in München bei der European
Rolfing Assoziation (ERA). Als eine der ersten Klassen in Europa war
bei uns Rolfing Movement wichtiger Teil der Stunden, neben einem
"strukturellem" Hauptlehrer gab es eine "funktionale"
Hauptlehrerin.
Neben dem "klassischen" Rolfing wurden
wir stark vom Movement geprägt, auch durch mehrere spätere
Workshops mit Gael Ohlgren (Rolfing Movement, Continuum Movement,
"Ida's Vision") und Einflüsse aus anderen
Bewegungsschulen.
Der tamed vermittelte den Eindruck, dass es
eine Annäherung gibt. Die wissenschaftliche Erkenntnis der
Faszien-Veränderbarkeit auf Basis des Nervensystems legt nahe, dass
auch Wahrnehmungen und Vorstellungen direkten Einfluss haben könnten.
So beschäftigen sich verschieden Bewegungsschulen, entweder schon
länger oder in Anbetracht des Kongressmottos, speziell mit der
Beeinflussbarkeit der Faszienspannung, der Auswirkung auf
Bewegungsmöglichkeiten und -qualitäten. Ob nun FaszienFitness,
Rolfing Movement, Imaginationsarbeit (Eric Franklin),
Body-Mind-Centering, Bartenieff Fundamentals oder biodynamischem
Ansatz.
Aber dazu mehr im Teil Zwei
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